Mit finsterem Gesicht tritt der Großinquisitor, begleitet von seiner Wache, vor ihn. Forschend schaut er in seine Augen, wendet sich dann ab, dem Volk
zu. Die Menschen senken die Köpfe, blicken zu Boden und schweigen.
"Ite,
missa est", "Gehet, denn ihr seid gesandt", spricht er und die Menge antwortet: "Deo gratias.".
Mit
einem Wink befiehlt er der Wache, ihn festzunehmen, wendet sich um und schreitet aus der Menge heraus, dem Gebäude des Tribunal del Santo Oficio de la Inquisición entgegen.
Die
Wache führt den Gefangenen in ein gewölbtes Verlies und
schließt ihn dort in einen der Kerker. Nichts geschieht, die Nacht
bricht an. Erst tief in der Dunkelheit erscheint der flackernde Schein einer Fackel. Die schwere eiserne Tür des Kerkers wird
geöffnet, ein tritt der Großinquisitor und
lässt die Tür hinter sich wieder schließen.
Er schweigt lange, bis er das Wort an den Gefangenen richtet:
"Bist
Du es? Aber antworte nicht, schweig! Schweig, denn Du hast kein Recht, dem, was
Du früher gesagt, irgendetwas hinzuzufügen, nicht jetzt, 1500 Jahre
später!
Warum
bist Du gekommen? Uns zu stören? Wisse: Morgen werde ich Dich
verurteilen als Ketzer und verbrennen lassen auf dem Scheiterhaufen und
dasselbe Volk, das Dir heute noch zujubelte, als Du das Mädchen wieder
zum Leben erweckt und den Blinden sehend gemacht hast, dieses Volk wird
morgen auf meinen Wink zu Dir stürzen und die mitgebrachten Kohlen in
den brennenden Reisig werfen, wird sich an Deinen Schmerzensschreien
ergötzen, wie sie es all die Jahre zuvor mit all den anderen getan!
Keine
Hand wird sich erheben, wider mich, keine Hand, um Dich zu befreien! Spucken werden
sie, um Dir ihre Verachtung zu zeigen. Warum also bist Du gekommen,
wenn Du es doch hättest wissen können, ja wenn Du es doch weißt?
Als
Du am Kreuze hingst und starbst, hast Du die Menschheit allein gelassen
und bist aufgefahren in Deine Gottesseligkeit. Da hast Du alles
übergeben in die Hände Deiner Apostel, an Petrus, also gehört
jetzt alles der heiligen katholischen Kirche.
Du darfst zu dem, was Du gesagt und getan auf
Erden, nichts hinzufügen, denn Du nähmst uns die
Freiheit, die Freiheit, die Du der Menschheit geschenkt, auf dass sie sich sich entscheide, für oder gegen Dich.
Ließe
ich Dich auch nur einen Satz sprechen, es wäre ein
neues Wunder und nähme meine und der Menschen Freiheit, uns zu entscheiden für oder gegen Dich.
Fünfzehnhundert Jahre mussten wir uns quälen mit dieser Freiheit, aber die Menschen haben uns die Freiheit dargebracht, ihre Freiheit uns zu Füßen
gelegt, damit wir ihnen das Glück des rechten Glaubens und des reinen
Gewissens schenkten, denn nicht der zweifelnde Rebell ist glücklich,
sondern wer den Glauben, seinen Platz gefunden in der Herde und weiß, welchen Weg zu
gehen.
Du gabst uns das Recht zu binden und zu lösen, Du kannst es und Du darfst es uns nun nicht mehr nehmen."
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