Sevilla zur Zeit der Inquisition. Zum größeren Ruhme Gottes
brennen die Ketzer! Am Tag zuvor auf dem
Platz vor dem Dom fast einhundert von ihnen.
Der Platz riecht nach dem verbrannten Fleisch und Windstöße wirbeln die schwarze
Asche des Sühnetodes dieses kalten Frühjahrsmorgens durch
die Luft.
"Ihn, der sich selbst erniedrigt und gehorsam bis zum
Tode am Kreuz, hat Gott über alle erhöht". Es war recht und billig, dass jene, die ohne Reue seinen Namen beschmutzten, für ihre Verstocktheit brannten, auf dass die Sünde getilgt und sie eingingen ins Reich des ewigen Lebens.
Der Großinquisitor sieht, wie an einer Stelle des Platzes sich immer mehr Menschen um einen einfach gekleideten jungen Mann scharen. Still steht er dort, einige Menschen beginnen zu singen, andere fallen vor ihm auf die Knie.
Sind das Liebe und
Barmherzigkeit, die aus seinen Augen und seinem Herzen strömen? Das Volk ruft entzückt: "Wir erkennen Dich!" Mehr und mehr strömen zusammen, umringen
ihn, die, die gestern vor Wut und heimlicher Lust schrien, mit
steifem Glied beim Anblick der sich windenden Leiber, dem
entsetzten Wimmern um Gnade, jener
Lust am Grauen des Sterbens der anderen, sie sind verwandelt vom Anblick der Güte und Ruhe. In ihm brennt die Sonne der Liebe, aus seinen Augen ergießt sich eine Kraft über und in die Herzen der
Menschen, die sie jubeln lässt vor Freude und Glück, einander
umarmen und weinen.
Da erhebt er seine Hände und Arme, segnet ihre schmutzigen Seelen und
die Menschen werfen sich nieder, küssen sein Gewand und sind wie verwandelt. Ein Greis ruft ihm zu: "Herr, Herr, ich bin blind. Heile
mich, damit ich dich schaue." Und er heilt ihn. Das Volk stöhnt auf und ein Schluchzen geht durch die Menschenmenge, einige beginnen den Erdboden vor seinen
nackten Füßen zu küssen. Kinder kommen herbei mit Blumen, werfen sie übermutig in
die Luft, viele Frauen singen: "Hosianna, Hosianna! Der Herr ist bei uns. Er ist wiederkommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird nun mehr kein Ende sein."
Vor
dem Portal des Domes bleibt er stehen, vor einem offenen kleinen weißen
Kindersarg, der dort zum letzten Gottesdienst geführt wird, mit dem unschuldigen Antlitz eines siebenjährigen Mädchens. Die Mutter
des Kindes wirft sich ihm zu Füßen: "Herr, wenn Du es bist, so erwecke
mein Kind zum Leben zurück."
Und er spricht: "Talitha Kumi!"
Das Mädchen öffnet die Augen, erhebt sich und blickt um sich: verwirrt lächelnd.
Der Jubel wandelt sich in Ekstase, die Mutter des Kindes schrillt von klagendem Winseln in sich
überschlagendes Lachen, während sie das Kind mit Küssen überschüttet.
Da tritt er hervor, in seiner alten, groben Mönchskutte, die Menge weicht zurück und stellt er sich vor ihn: der Großinquisitor.
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